Eltern und Kind


Frühgeburt und Geburtskomplikationen

Dammriss

Dammriss (Dammruptur, Perinealriss): Einreißen des Damms während der Geburt. Ursache ist die Überdehnung des Damms durch den kindlichen Kopf bzw. dadurch, dass der Kopf sehr schnell nach unten gepresst wird und starken Druck auf den Damm ausübt. Der Dammriss ist die häufigste mütterliche Geburtsverletzung. Es werden drei Schweregrade unterschieden:

Um dem Dammriss vorzubeugen, setzen die Hebamme oder der Arzt beim Durchtreten des Kopfs einen speziellen Handgriff, den Dammschutz, ein: Dabei umfasst die rechte Hand den mütterlichen Damm, während die linke durch leichten Druck die Geschwindigkeit des durchtretenden, hochsteigenden Kopfs des Kindes reguliert.

Reicht dies nicht, und droht trotzdem ein Dammriss, so wird ein Dammschnitt (Episiotomie) durchgeführt: Dabei wird von der Scheide aus der Damm etwas eingeschnitten und unmittelbar nach der Geburt unter örtlicher Betäubung wieder genäht. Kritiker wenden allerdings ein, dass nicht jeder gefährdete Damm tatsächlich reißt, aber jeder Dammschnitt ebenfalls eine Verletzung des Beckenbodens darstellt, der heilen muss und öfter noch lange Zeit nach der Geburt Beschwerden bereitet. Aufgrund dieser Kritik werden Dammschnitte deshalb inzwischen seltener durchgeführt.

Frühgeburt

Frühgeburt: Geburten, die die Schwangerschaft zwischen der 24. (dem Beginn der Lebensfähigkeit) und der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche vorzeitig beenden (vor Erreichen der Lebensfähigkeit spricht man von Fehlgeburt oder Totgeburt).

Frühgeburtlichkeit ist einer der bedeutendsten Risikofaktoren für den Tod des Kindes bei und kurz nach der Geburt, auch wenn sich die Sterberate (Mortalität) unter Frühgeborenen in den letzten 15 Jahren von 8 pro 1000 auf 5 pro 1000 gesenkt hat. Abgesehen vom Tod sind Frühgeborene auch durch Spätschäden bedroht: Diese sind aber bei korrekter medizinischer Versorgung zumindest oberhalb eines Geburtsgewichts von 1500g eher selten.

Medizinisch gesehen ist weniger die Anzahl der Schwangerschaftswochen, sondern das Geburtsgewicht der entscheidende Risikofaktor. Hier gilt als kritische Grenze ein Geburtsgewicht von 2500g – nach dieser Definition, die auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gewählt hat, wären ein Drittel aller Geburten Frühgeburten.

Frühgeborene sind besonders durch die Unreife ihrer Lungen gefährdet. Es kann dann zu einem Atemnotsyndrom (Respiratory Distress Syndrome, RDS) kommen. Die kindliche Lunge ist zwar prinzipiell einsatzfähig, aber erst ab der 35. Woche sicher in der Lage, eine körpereigene Substanz (Surfactant) zu bilden, die bei der Entfaltung der Lungenbläschen hilft. Aus diesem Grund bekommen Schwangere bei sich ankündigender Frühgeburt vor der 35. Woche Kortison als Spritze oder Tabletten, die beim Kind die Lungenreifung beschleunigen. Ergänzend werden die eventuell bestehenden Wehen durch Wehenhemmer gestoppt, um die Geburt solange hinauszuzögern, bis die Lungenreife erreicht ist.

Ganz unterschiedliche Gründe lösen eine Frühgeburt aus, die häufigsten sind vorzeitige Wehen, ein vorzeitiger Blasensprung, eine Plazenta-Insuffizienz oder eine Zervix-Insuffizienz.

Die Ursache dafür sind nicht selten ganz andere Faktoren, so Infektionen von Blase oder Nierenbecken, extreme psychische Belastungen der Mutter, Fehlbildungen oder Erbschäden des Kindes oder auch eine Zwillingsschwangerschaft. Jüngst hat eine Studie auch gezeigt, dass das Risiko für eine Frühgeburt zu einem gewissen Maß erblich ist. Frauen, deren Mütter selbst eine Frühgeburt hinter sich haben, haben bei der ersten Schwangerschaft ein um 60 Prozent erhöhtes Risiko ebenfalls zu früh zu gebären. Bei der zweiten Schwangerschaft ist das Risiko immer noch um 50 Prozent erhöht.

Auch eine Parodontitis während der Schwangerschaft birgt das Risiko einer Frühgeburt. Leidet eine Schwangere an Parodontitis, besteht die Gefahr, dass sich Parodontitis-Erreger aus dem Entzündungsherd lösen und über das Blut in die Plazenta gelangen – nicht selten ist eine Frühgeburt die Folge. Wissenschaftler konnten nun zeigen, dass eine erfolgreiche Parodontitis-Behandlung dem entgegenwirkt und so das Frühgeburtsrisiko senkt.

Seit Neuestem ist in den USA ein Präparat auf dem Markt, um Frühgeburten vorzubeugen. Das Medikament enthält den Hormonwirkstoff Hydroxy-Progesteron. Es soll vor allem bei Risikopatientinnen zum Einsatz kommen – also bei Frauen, die bereits Frühgeburten erlitten haben oder erblich vorbelastet sind. Ab der 16. bis 20. Schwangerschaftswoche bekamen die betroffenen Frauen einmal pro Woche den Hormonwirkstoff in den Muskel gespritzt. Die letzte Injektion erhielten sie nach der 37. Schwangerschaftswoche. Dank dieser Behandlung verringerte sich in der Zulassungsstudie die Zahl der Frühgeburten um fast 20 Prozent. Den Neugeborenen schadete die Hormonbehandlung nicht – zumindest entwickelten sich die Kinder der behandelten Mütter bisher ganz normal.

Weiterführende Informationen

  • W. Garbe: Das Frühchen-Buch. Thieme, 2004. Verständlich geschriebener Fachratgeber.

Kaiserschnitt

Kaiserschnitt (Sectio caesarea, Schnittentbindung): Operative Geburt durch die Öffnung der Gebärmutter von der Bauchdecke aus. In Deutschland kommen heute knapp über 30 % der Kinder mit Kaiserschnitt zur Welt, Tendenz steigend. Die Ursachen liegen am hohen Anteil Erstgebärender, an der Zurückhaltung in Deutschland gegenüber den in vielen Fällen möglichen Zangen- oder Saugglockengeburten und einer steigenden Zahl von Kaiserschnitten auf Wunsch.  Medizinische Gründe dafür sind, dass die Neugeborenen immer schwerer werden, mehr Zwillinge zur Welt kommen und Schwangere häufiger unter Schwangerschaftsdiabetes leiden.

Zwingende Gründe für einen Kaiserschnitt liegen vor, wenn

  • Der Mutterkuchen vor dem Geburtskanal liegt und den Gebärmutterhals zudeckt (Plazenta praevia).
  • Eine geburtsunmögliche Querlage vorliegt.
  • Eine Steißlage und zugleich weitere Risikofaktoren vorliegen.
  • Das Kind bzw. sein Kopf im Verhältnis zum Becken der Mutter zu groß ist (relatives Missverhältnis).
  • Drillinge (oder mehr) geboren werden.
  • Die Mutter eine Gebärmutteroperation hatte, die eine große Gebärmutternarbe hinterlassen hat.
  • Schwere mütterliche Erkrankungen wie z. B. Präeklampsie oder HELLP-Syndrom oder Fehlbildungen des Kindes vorliegen.

Diese Gründe sind meistens vorher bekannt, weshalb der Kaiserschnitt geplant werden kann. Geplante Kaiserschnitte können zu einem Wunschtermin erfolgen, man kann aber auch abwarten, bis die Wehen einsetzen und dann den Kaiserschnitt durchführen.

Ein vorhergehender Kaiserschnitt ist übrigens kein zwingender Grund für einen erneuten Kaiserschnitt.

Ein vorher nicht geplanter Kaiserschnitt wird nötig, wenn

  • Es zum Geburtsstillstand gekommen ist, d. h. sich der Muttermund trotz regelmäßiger Wehen über Stunden hinweg nicht weiter öffnet, und die Mutter zu erschöpfen droht.
  • Die Mutter aus anderen Gründen erschöpft ist (z. B. bei Fieber).
  • Ein Not-Kaiserschnitt muss erfolgen, wenn ein Nabelschnurvorfall vorliegt.
  • Das Kind während der Wehen unter akutem Sauerstoffmangel leidet (fetale Hypoxie), was Hebamme und Arzt durch ein ungünstiges CTG vermuten und sich durch eine Fetalblutanalyse beweisen lässt.
  • Eine Nabelschnurumschlingung vorliegt, d. h. die Nabelschnur sich um den kindlichen Hals gewickelt hat, und die notwendige Beugung und Drehung des kindlichen Kopfs beim Eintritt in den Geburtskanal dadurch unmöglich ist.

Der geplante Kaiserschnitt findet in der Regel unter örtlicher Narkose des Rückenmarks, PDA statt. Der Vater kann dabei in den meisten Kliniken mit in den Operationssaal, um als Erster das Kind in Empfang zu nehmen.

Der nicht geplante Not-Kaiserschnitt geschieht meist unter Vollnarkose.

Durchführung der Operation. Meist reicht ein Bikinischnitt (Pfannenstiel-Querschnitt), der als tief gelegener Unterbauchquerschnitt nach der Heilung kosmetisch gut aussieht. Seit einigen Jahren gibt es eine schonendere Operationstechnik, die Misgav-Ladach-Methode: Dabei werden die Gewebeschichten nicht mit dem Skalpell durchtrennt, sondern nur vorsichtig eingeritzt und dann auseinander gezogen. Gefäße und Nerven, die sonst durchschnitten würden, bleiben so erhalten.

Nachdem das Neugeborene da ist, holt der Operateur alle Teile des Mutterkuchens aus der Gebärmutter und verschließt die Gebärmutterwand wieder sorgfältig mit mehreren Nähten, damit bei weiteren Schwangerschaften und Geburten keine Komplikationen auftreten. Danach wird die Bauchdecke verschlossen.

Nachgeburtliche Erholung

Nach einem Kaiserschnitt brauchen Frauen eine erheblich längere Erholungsphase, bis sie die Strapazen der Geburt überstanden haben. Die Wunde kann schmerzen und schränkt den Bewegungsradius zunächst ein. Und wie bei jeder Bauchoperation fallen das Aufstehen aus dem Bett und das Laufen erstmal schwer. Dazu kann ein weiterer Faktor kommen (muss aber nicht): Viele Mütter berichten, dass ihnen das Erlebnis des normalen Geburtsvorgangs fehlt.

Auch für das Neugeborene ist der Kaiserschnitt nicht ohne Nachteile. Bei einer vaginalen Entbindung bereiten die Stresshormone Herz und Kreislauf darauf vor, die Arbeit nach der Entbindung mit voller Leistung aufzunehmen. Außerdem wird bei der Passage durch den Geburtskanal das Fruchtwasser, mit dem das Kind vor der Geburt „Atmen geübt“ hat, aus der kindlichen Lunge gepresst. Bei Kaiserschnittbabys wird das Fruchtwasser zwar abgesaugt, trotzdem kommt es bei ihnen eher zu Atemstörungen, und sie müssen deshalb häufiger vorübergehend intensiv überwacht werden. Diese Anpassungsprobleme sind normalerweise nicht lebensbedrohlich, können aber manchmal eine mehrtägige Überwachung auf der Säuglingsstation nach sich ziehen.

Streitthema späte Mutterschaft

Mit zunehmendem Alter der Schwangeren steigt das Risiko für Chromosomenfehlverteilungen, die zu geistiger und körperlicher Beeinträchtigung des Kindes führen (Chromosomenanomalie). Das bekannteste Beispiel dafür ist das Down-Syndrom (Trisomie 21). Für Frauen ab 35 sehen die deutschen Mutterschaftsrichtlinien daher die Beratung und das Angebot der Fruchtwasseruntersuchung oder Chorionzottenbiopsie (Chorionzotten-Entnahme) vor; d. h. die Krankenkassen übernehmen die Kosten. Eine Fehlverteilung der Chromosomen tritt aber auch bei Kindern von jüngeren Müttern auf – denn die Altersgrenze 35 ist willkürlich gewählt. Die Wahrscheinlichkeit, ein Kind mit Down-Syndrom zu bekommen, beträgt bei einer 30-jährigen Schwangeren 0,1 %, bei einer 35-jährigen 0,3 %, bei einer 40-jährigen 1 % und bei einer 45-jährigen 4 %. Diese gesetzte Grenze entspricht dem Fehlgeburtsrisiko durch eine Fruchtwasseruntersuchung. Empfohlen wird eine Fruchtwasseruntersuchung also nur dann, wenn das Risiko eines Down-Syndroms über dem einer Fehlgeburt liegt. Die Lebenszufriedenheit von Down-Kindern ist nach allem, was betroffene Eltern berichten, keineswegs geringer als von gesunden Kindern.

Die Kritik reicht aber noch weiter. So fragen z. B. Selbsthilfegruppen, -verbände und Eltern von Down-Syndrom-Kindern, warum die Pränataldiagnostik so stark die Chromosomenfehlverteilungen betont. Sie glauben, dass in den letzten Jahren durch diese Diagnostik ein gewisser Automatismus entstanden ist mit der Folge, dass Down-Syndrom-Schwangerschaften grundsätzlich abgebrochen werden. Down-Syndrom-Kinder haben aber eine Lebenserwartung von 40 Jahren und subjektiv wie objektiv eine oft sehr gute Lebensqualität; was nicht ausschließt, dass der Betreuungsaufwand für die Eltern außerordentlich hoch ist. Die überwiegende Mehrzahl der schwersten Behinderungen, die zu einer geringen oder sogar keiner Lebenserwartung führen, werden durch die Fruchtwasseruntersuchung und die Chorionzottenbiopsie dagegen nicht sicher entdeckt.

Die Entscheidung, ob ein behindertes Ungeborenes abgetrieben werden soll oder nicht, muss jedes Paar für sich treffen.

Vorzeitiger Blasensprung

Vorzeitiger Blasensprung: Reißen der Fruchtblase vor dem Einsetzen der Wehen. Medizinisch bedrohlich ist der vorzeitige Blasensprung, wenn er einige Wochen vor dem errechneten Geburtstermin auftritt und damit eine Frühgeburt erzwingt. Bei etwa jeder 10. Schwangerschaft kommt es zu einem vorzeitigen Blasensprung.

Leitbeschwerden

Abgang von Fruchtwasser – schwallartig oder tröpfchenweise

Wann zum Arzt

Sofort, wenn die Beschwerden zu einem vorzeitigen Blasensprung passen könnten. Bis zum Eintreffen des Notarztes nicht mehr herumlaufen, sondern sich hinlegen.

Die Erkrankung

Der vorzeitige Blasensprung ist ein Notfall der Geburtshilfe: Zum einen kann er Wehen auslösen, zum anderen kann es zum Aufsteigen von Keimen aus der Scheide in die Gebärmutter kommen, was das Risiko für eine Frühgeburt und Fehlgeburt erhöht. Liegt der Fötus außerdem noch nicht tief genug im Becken, kann die Nabelschnur beim Fruchtwasserabgang zwischen Kind und Gebärmutterausgang geraten. Beginnen dann die Wehen, drückt der auf den Muttermund pressende Kopf die Nabelschnur zusammen und unterbricht damit die Blut- und Sauerstoffversorgung des Kindes (Nabelschnurvorfall). Dies würde einen sofortigen Kaiserschnitt erfordern.

Das macht der Arzt

Die einfachste, aber nicht immer sichere Methode, das (vorzeitige) Aufgehen der Fruchtblase festzustellen, ist die Messung des pH-Werts in der Scheide: Ist der pH-Wert erhöht, spricht dies für das Abfließen basischen Fruchtwassers in die ansonsten saure Scheidenflüssigkeit. Weitere Hinweise auf die Fruchtwassermenge liefert der Ultraschall. Weil die Infektionsgefahr nach vorzeitigem Blasensprung sehr hoch ist, kontrolliert der Arzt zudem die Entzündungswerte im Blut der Mutter und einen Scheidenabstrich auf Bakterien.

Das ärztliche Vorgehen hat zum Ziel, das Ungeborene vor der 35. SSW so lange wie möglich in der Gebärmutter zu belassen. Die Maßnahmen richten sich ganz wesentlich nach dem Schwangerschaftsalter:

  • Vor der 26. Schwangerschaftswoche ist die Prognose für den Fötus schlecht. Liegt kein Infekt vor und kommt es nicht zu vorzeitigen Wehen, wird, wenn irgend möglich, die Schwangere in eine Klinik mit einer spezialisierten Abteilung für Frühgeburten verlegt.
  • Ab der 26. Schwangerschaftswoche bekommt die Mutter sicherheitshalber Antibiotika, ggf. auch über viele Wochen, bis die Lungenreifung und die Geburtsreife gegeben ist. Die Reifung der Lungen kann mit Kortisongaben beschleunigt werden.
  • Ab der 32. Schwangerschaftswoche wird heute ein Kaiserschnitt bevorzugt, weil so schwere Komplikationen wie Nabelschnurvorfall und Infektionen verhindert werden können.
  • Zwischen der 33. und 35. Schwangerschaftswoche versucht man, die Geburt solange zu verzögern, bis die Lungenreife erreicht ist. Wenn nötig, werden Wehenhemmer verordnet.
  • Tritt ein Blasensprung nach der 35. Schwangerschaftswoche auf, wird das Einsetzen der Wehen abgewartet (unter Antibiose). Setzen 12–24 Stunden nach dem erfolgten Blasensprung die Wehen nicht von selbst ein, leitet man die Geburt mit Prostaglandin ein.

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