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Fibromyalgie

Fibromyalgie (Fibromyalgie-Syndrom, somatoforme Schmerzstörung, Faser-Muskel-Schmerzsyndrom): Erkrankung mit chronischen Schmerzen in unterschiedlichen Körperregionen, meist verbunden mit vegetativen Beschwerden wie Schlafstörungen oder Magen-Darm-Problemen. In Industrieländern sind 2–4 % der Bevölkerung betroffen, zu etwa 90 % Frauen, meist ab dem 4. Lebensjahrzehnt. Die Fibromyalgie ist gutartig, sie führt z. B. nicht zu Schäden an Organen, Gelenken oder Geweben und reduziert auch die Lebenserwartung nicht. Weil die starken Schmerzen vielen Patient*innen das Leben diktieren, schränkt die Fibromyalgie die Lebensqualität oft erheblich ein. Die Behandlung ist schwierig und besteht vor allem aus nicht-medikamentösen Maßnahmen. In den meisten Fällen haben die Betroffenen auch nach jahrelanger Behandlung weiter Beschwerden.

Leitbeschwerden und Symptome

  • Auf alle Körperregionen verteilte Schmerzen der Muskeln, Sehnen und Gelenke (oft als schwerer Muskelkater erlebt), meist in Ruhe schlimmer als bei Aktivität
  • Ein- und Durchschlafstörungen
  • vermehrte körperliche und geistige Erschöpfung
  • Reizüberempfindlichkeit, innere Unruhe
  • Taubheitsgefühle in Händen, Füßen, Gesicht oder an anderen Körperstellen
  • Magen-Darm-Probleme (Durchfall, Verstopfung)
  • Herzrasen, Luftnot Schweißneigung.

Wann in die Arztpraxis

Demnächst, wenn

  • oben genannte Beschwerden auftreten.

Die Erkrankung

Die Fibromyalgie ist als Erkrankung schwer zu fassen. Da sich weder konkrete Ursachen noch konkrete Schäden (z. B. in Gelenken oder Muskeln) finden lassen, ordnen Expert*innen sie als "funktionelles somatisches Syndrom" ein. Das bedeutet, dass die Patient*innen körperliche (somatische) Beschwerden haben, diese aber nicht auf Gewebe- oder Organschäden beruhen.

Auch deshalb werden Patient*innen mit Fibromyalgie oft nicht ernst genommen. Manchmal unterstellt man ihnen sogar, sich die Schmerzen und die weiteren Beschwerden nur einzubilden - was eine zusätzliche schwere Belastung für die Betroffenen ist. Die Erkrankung ist jedoch seit über 30 Jahren anerkannt und in der internationalen Klassifikation der Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation aufgeführt.

Die Fibromyalgie ist relativ häufig. Zwei von 100 Erwachsenen sollen in den westlichen Industriestaaten darunter leiden. Wenn die Diagnose inzwischen auch mehr und mehr bei Männern gestellt wird, überwiegt der Frauenanteil bei der Fibromyalgie deutlich.

Ursachen

Dreh- und Angelpunkt bei der Fibromyalgie ist eine gestörte Schmerzverarbeitung. Manche Expert*innen vermuten, dass die Veränderung von Botenstoffen im Gehirn eine Rolle spielt, vor allem von Serotonin. Dieser auch als "Glückshormon" bekannte zentrale Botenstoff steht mit der Schmerzempfindung im Zusammenhang und soll bei Fibromyalgie-Patient*innen schneller abgebaut werden als bei Menschen ohne diese Erkrankung. Eine weitere Annahme ist, dass Fibromyalgie-Patient*innen eine verringerte Hautinnervation aufweisen, wobei ihre schmerzleitenden Nerven jedoch überaktiv sein sollen.

Unklar ist, wie es zu der gestörten Schmerzwahrnehmung kommt. Viele Auslöser werden diskutiert, darunter Infekte, eine Fehlregulation des Immunsystems, Muskelverspannungen sowie Depressionen und psychische Belastungen. Weil die Erkrankung in manchen Familien gehäuft vorkommt, geht man auch von einer genetischen Veranlagung aus.

Insgesamt gibt es aber noch kein überzeugendes medizinisches Modell, das die Ursache der Probleme erklärt. Expert*innen halten deshalb ein Zusammenspiel vieler Faktoren für wahrscheinlich.

Die Fibromyalgie kann auch sekundär auftreten, d.h. infolge einer anderen Erkrankung. Beispiele dafür sind rheumatische Erkrankungen wie die rheumatoide Arthritis, bösartige Neubildungen oder auch Infekte. Vor allem wenn sich die ersten Beschwerden der Erkrankung bei Patient*innen über 60 Jahren zeigen, muss man an eine solche sekundäre Fibromyalgie denken und die Grunderkrankung suchen.

Klinik

Das Fibromyalgie-Syndrom beginnt meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr und entwickelt sich über einen langen Zeitraum. Die chronischen, diffusen Schmerzen an Muskeln und Sehnenansätzen werden oft wie bei einem Muskelkater beschrieben. Sie treten häufig zunächst am Rücken auf und breiten sich dann auf Arme und Beine aus.

Begleitet werden die Schmerzen von Erschöpfung und Schlafproblemen. Als Folge kommt es zu Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit und Leistungsminderung. Diese drei Beschwerden werden oft als Fibro Fog bezeichnet. Häufig liegt eine vegetative Symptomatik vor. Die Patient*innen haben Herzklopfen, schwitzen vermehrt und sind von Mundtrockenheit geplagt.

Die weiteren Begleitbeschwerden sind individuell verschieden ausgeprägt. Viele Patient*innen klagen über Reizdarmprobleme (Durchfall, Blähungen) und eine Reizblase mit Dranginkontinenz. Migräne und Spannungskopfschmerzen sind ebenfalls häufig. Etwa ein Drittel der Betroffenen leidet unter Depressionen, viele auch an Angststörungen.

Diagnosesicherung

Für die Ärzt*in steht bei der Diagnose das Patientengespräch im Vordergrund. Wegweisend für ist nicht nur der Inhalt, sondern auch die Art der Schilderung. Fibromyalgie-Patient*innen leiden stark unter ihrer Krankheit, was in der angespannten oder gedrückten Art zum Ausdruck kommt, mit der sie ihre Beschwerden schildern. Sie empfinden die Schmerzen viel eher als unerträglich als die meisten Patient*innen mit z. B. rheumatoider Arthritis.

Wichtigstes Kriterium der Fibromyalgie sind chronische Schmerzen für länger als drei Monate an Armen und Beinen beider Körperhälften sowie am Rumpf, die sich von keiner anderen Erkrankung erklären lassen. Zur Beschreibung der Schmerzen füllt die Patient*in meist einen Fragebogen aus oder kreuzt an einem Körperschema die Stellen an, an denen die Schmerzen auftreten. Auch für die psychischen und vegetativen Beschwerden wird häufig ein standardisierter Fragebogen herangezogen.

Bei der körperlichen Untersuchung prüft die Ärzt*in die Druckschmerzhaftigkeit am ganzen Körper, vor allem an den Sehnenansätzen. Früher verlangte die Fibromyalgie-Diagnose die Schmerzhaftigkeit an mindestens 11 von 18 sogenannten "Tender Points" (Druckpunkte, siehe Abbildung). Die Anwendung dieses Kriteriums ist allerdings problematisch, weil die Druckstärke schwer zu objektivieren ist und die Ärzt*in sich auf Patientenangaben über die Schmerzstärke verlassen muss. Heute ist für die Diagnose eine bestimmte Anzahl von Tender Points nicht mehr erforderlich. Stattdessen werden Schmerzen in mehr als sieben von 19 Schmerzregionen gefordert.

Mithilfe von Laboruntersuchungen lässt sich eine Fibromyalgie nicht nachweisen. Das Labor ist allerdings wichtig, um andere Erkrankungen auszuschließen. Dazu bestimmt die Ärzt*in in der Regel Blutbild und Entzündungswerte, die Schilddrüsenhormone, die Kreatininkinase und das Kalzium im Blut.

Die Krankengeschichte, die körperliche Untersuchung und der Ausschluss einer anderen Ursache für die Beschwerden durch das Labor genügt der erfahrenen Ärzt*in, um die Diagnose zu stellen. Bei Verdacht auf eine zugrundeliegende neurologische, orthopädische oder rheumatologische Erkrankung wird eine Fachärzt*in hinzugezogen und eine vertiefte Diagnostik eingeleitet.

Differenzialdiagnosen. Auszuschließen sind z. B. Muskelerkrankungen (Myopathien), die Hypothyreose sowie die Hyperkalzämie. Auch die Einnahme von Statinen oder ein Vitamin-D-Mangel können Muskelschmerzen wie die bei Fibromyalgie auslösen. Besonders schwierig ist die Abgrenzung zu den entzündlich-rheumatische Erkrankungen. Diese können eine sekundäre Fibromyalgie auslösen oder begleiten, aber auch selbst ähnliche Beschwerden verursachen.

Behandlung

Die Fibromyalgie ist beim momentanen Stand der Forschung nicht heilbar. Die Behandlung zielt darauf, die Beschwerden zu lindern, die Funktionsfähigkeit im Alltag zu erhalten und die Lebensqualität zu bewahren bzw. zu verbessern.

Nicht-medikamentöse Maßnahmen

Grundlage der Fibromyalgie-Therapie sind regelmäßige körperliche Bewegung, niedrig dosiertes Krafttraining und Mind-Body-Verfahren. Empfohlen werden in der Leitlinie beispielsweise

  • niedrig dosiertes Ausdauertraining, dreimal pro Woche für 30 bis 40 Minuten (z. B. Walking, Aquajogging, Schwimmen oder Radfahren)
  • Wasser- und Trockengymnastik, Funktionstraining
  • niedrig dosiertes Krafttraining kombiniert mit Dehnübungen
  • Maßnahmen zur Entspannung der Muskulatur: Wärmeanwendungen, krankengymnastische Dehnübungen, Anleitung für Übungsprogramme zu Hause
  • Entspannungstechniken wie Autogenes Training oder Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson
  • Trai Chi, Qi-Gong oder Yoga.

Den größten Effekt erreicht man mit einer multimodalen Therapie, d.h. mit der Kombination aus Ausdauertraining und Entspannungsübungen. Nach drei bis sechs Monaten sollten Patient*in und Ärzt*in gemeinsam überprüfen, ob die gewählten Maßnahmen Erfolg zeigen. Ist dies der Fall, sollten diese dauerhaft fortgeführt werden.

Andernfalls ist der Wechsel auf ein anderes Verfahren, die Gabe von Medikamenten und/oder eine psychologische Unterstützung zu überlegen. Die besten Erfahrungen wurden dabei mit kognitiver Verhaltenstherapie gemacht.

Pharmakotherapie

Schmerzmittel wie nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR) wirken bei der Fibromyalgie nicht, können aber zu erheblichen Nebenwirkungen Magengeschwür, Blutbildveränderungen) führen. Deshalb sollen sie gegen Fibromyalgie-bedingte Schmerzen nicht eingenommen werden. Ebenfalls ohne Wirknachweis sind muskelentspannende Medikamente, Cannabis, Kortison oder örtliche Betäubungsmittel.

Stattdessen empfehlen die Leitlinien Wirkstoffe aus der Gruppe der Antidepressiva (Amitryptilin, Duloxetin, Fluoxetin), der Neuroleptika (Quetiapin) und der Antikonvulsiva (Pregabalin).

Mittel der ersten Wahl ist Amitryptilin. Leidet die Patient*in gleichzeitig unter Depressionen oder einer Angststörung, wird Duloxetin empfohlen. Die anderen Wirkstoffe kommen zum Einsatz, wenn Amitryptilin bzw. Duloxetin nicht vertragen werden.

Ob ein Medikament wirkt, lässt sich in der Regel erst vier Wochen nach Beginn der Einnahme sagen. In der Zeit davor ist es wichtig, auf eventuelle Nebenwirkungen zu achten und diese der Ärzt*in mitzuteilen. Ist nach vier Wochen kein Nutzen erkennbar (d.h. die Beschwerden werden nicht reduziert oder die Nebenwirkungen sind zu ausgeprägt), sollte das Präparat abgesetzt werden und gegebenenfalls ein anderes ausprobiert werden.

Oft wird nach etwa einem halben Jahr der Wirkstoff probeweise abgesetzt.

Prognose

Die Fibromyalgie ist eine chronische Erkrankung, die schwer zu behandeln ist. Auch wenn alle therapeutischen Register gezogen werden, hat die Mehrzahl der Betroffenen weiterhin Beschwerden. Doch viele Erkrankte können lernen, damit zu leben und sich ihre Lebensqualität zu erhalten.

Für die Prognose ist es wichtig zu wissen, dass die Fibromyalgie eine gutartige Erkrankung ist. Gewebe und Organe werden durch sie nicht geschädigt, und sie verkürzt auch die Lebenserwartung nicht.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Bei der Fibromyalgie sind die Betroffenen im Umgang mit ihrer Erkrankung vor allem selbst gefordert. Auf diesem Grundgedanken aufbauend haben sich die folgenden Regeln zur Selbsthilfe und Lebensführung bewährt:

Die Krankheit anerkennen. Die wichtigste Erkenntnis lautet: Sie selbst sind Ihre beste Therapeut*in. Ärzt*innen, Heilpraktiker*innen und Medikamente können Sie unterstützen, aber den Schlüssel zu einem möglichst schmerzfreien Leben haben Sie selbst in der Hand.

Seien Sie realistisch in Ihren Erwartungen an Schul- oder Komplementärmedizin. Fibromyalgie-Patient*innen neigen nicht selten zum 26b26"Doctorshopping", also einem häufigen, oft kostspieligen Arzt- und Therapiewechsel, profitieren aber fast nie davon.

Richten Sie sich darauf ein, dass die Fibromyalgie Sie zwar über viele Jahre begleitet, aber nicht "auffrisst". Betrachten Sie die Erkrankung z. B. wie ein lästiges Tier, das Sie zwar auf Schritt und Tritt begleitet, welches aber keine Macht über Sie besitzt.

Lernen Sie sich zu beobachten: Was verstärkt die Schmerzen (z. B. Schlafmangel oder zuviel Schlaf), was lindert mehr (z. B. ein Glas Wein am Abend), wie wirken Medikamente oder eine Fastenkur?

Negativfaktoren abstellen. Versuchen Sie, Negativfaktoren in Ihrem Leben abzustellen. Überlegen Sie, was dazu zählt, und was Sie mit Ihrer Energie und Lebenskraft tun können, um unguten Stress aus Ihrem Leben zu verbannen.

Wenn Sie Ihren Beruf nur noch als Last empfinden und an einen Rentenantrag denken, überlegen Sie, ob Sie das wirklich zufriedener machen würde. Viele Ärzt*innen haben erlebt, dass Fibromyalgie-Patient*innen nach der Frühverrentung erst recht Probleme haben, da sie sich nur noch auf ihre Beschwerden konzentrieren.

Komplementärmedizin

Meditation. Anspannung und Leidensdruck abzubauen, aber auch Schmerzen und Beeinträchtigungen besser anzunehmen, ist das Ziel verschiedener Meditationstechniken. Es liegen eine Reihe positiver Erfahrungsberichte von Fibromyalgie-Patient*innen vor, wonach regelmäßig ausgeübte Meditation langfristig zu einer Linderung der Beschwerden und damit zu einer Steigerung der Lebensqualität führt – dies wird inzwischen auch durch verschiedene Studien belegt.

Akupunktur. Ob Akupunktur langfristig eine Verbesserung der Symptome bewirkt, wird derzeit in verschiedenen Studien geprüft. Da es sich bei der Fibromyalgie um ein komplexes Krankheitsbild handelt, befürworten die meisten Therapeut*innen ein individuell abgestimmtes Vorgehen, bei dem die zu nadelnden Punkte erst nach eingehender Anamnese festgelegt werden. Nach Meinung der deutschen Leitlinien kann jedoch ein Versuch mit Akupunktur erwogen werden.

Andere Verfahren. Da es gegen die Fibromyalgie-Beschwerden "die eine" Maßnahme nicht gibt und die leitliniengemäßen Ansätze nicht immer erfolgreich sind, gibt es eine Vielzahl weiterer Angebote. Die allermeisten davon werden aufgrund mangelnder Wirksamkeit nicht empfohlen. Dazu gehören z. B. die TENS, die hyperbare Sauerstofftherapie, die Lasertherapie und die Magnetfeldtherapie. Auch von Reiki oder Nahrungsergänzungsmitteln raten die Expert*innen ab.

Weiterführende Informationen

  • Die Selbsthilfegruppe Deutsche Fibromyalgie Vereinigung (DFV) e.V. bietet eine informative Webseite inklusive bundesweiten Adressen von Selbsthilfegruppen; 
  • Die Vermittlung zu Selbsthilfegruppen sowie aktuelle und vertiefende Informationen zum krankheitsbild finden sich auch auf der Webseite der Fibromyalgie-Liga Deutschland e.V.;
  • Das Netzwerk Fibromyalgie ist eine Initiative der Rheuma-Liga. Es bietet Kontakte, Informationen und Podcasts

Osteomalazie

Osteomalazie (Knochenerweichung): Systemische Knochenerkrankung infolge einer Mineralisationsstörung, durch die der Knochen seine Stabilität verliert und sich verformt. Meistens geht die Erkrankung auf einen Vitamin D-Mangel, seltener auf eine Störung des Phosphatstoffwechsels, zurück.

Die durch Vitamin-D-Mangel bedingte Knochenerweichung im Kindesalter wird Rachitis genannt. Sie führt zu Fehlbildungen, Verformungen der Wirbelsäule und Beinknochen, geringer Muskelkraft und unzureichender Zahnbildung. Sie ist dank der routinemäßigen Vitamin-D-Prophylaxe im 1. Lebensjahr selten geworden.

Beim Erwachsenen äußert sich eine Osteomalazie vergleichsweise uncharakteristisch durch undefinierbare Knochenschmerzen, Muskelschwäche sowie Knochenerweichungen und verformungen, besonders im Brustbereich, Hüftbereich und Kniegelenk. Sie tritt in Deutschland vor allem bei älteren Menschen auf (etwa die Hälfte der Senioren hat einen latenten Vitamin-D-Mangel) als Folge von chronischen Nierenfunktionsstörungen, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (wie z. B. Colitis ulcerosa), bei Leberzirrhose oder der Einnahme bestimmter Medikamente wie z. B. Antiepileptika.

Abzugrenzen ist die renale Osteopathie, bei der chronisches Nierenversagen zu einem Kalziummangel im Blut und zu einer verminderten Produktion von aktivem Vitamin D führt. Um den Kalziummangel auszugleichen, schütten die Nebenschilddrüsen vermehrt Parathormon aus, was zu einem sekundären Hyperparathyreoidismus führt.

Leitbeschwerden

  • Unspezifische Knochenschmerzen im Brustbereich und Rücken
  • Muskelschwäche
  • Zunehmende Verkrümmung des Oberkörpers.

Die Erkrankung

Für den Knochenstoffwechsel spielt Vitamin D (Kalziferol) eine Schlüsselrolle. Es fördert die Kalziumaufnahme aus Darm und Niere und sorgt für dessen Einlagerung in den Knochen, wodurch der Knochen seine Härte und Festigkeit bekommt.

Der Körper kann Vitamin D prinzipiell selbst herstellen. Mit Hilfe von Sonnenlicht wird dazu in der Haut aus der Vorstufe 7-Dehydrocholesterol Vitamin D3 gebildet und dieses dann in Leber und Niere in seine aktive Form umgewandelt.

Ob die Bereitstellung durch die Haut aber ausreicht, hängt von der Sonneneinstrahlung und der Hautfarbe ab. So wird bei weißen Einwohnern in Australien der tägliche Bedarf schon gedeckt, wenn nur ein Achtel der Körperoberfläche 10 Minuten pro Tag an der Sonne ist. In nördlichen Breitengraden dagegen wird auch bei stundenlanger Bestrahlung in den Wintermonaten nicht genug Vitamin D in der Haut erzeugt, und die Menschen sind auf die Zufuhr von Vitamin D durch die Nahrung angewiesen.

Auch wenn wir normalerweise 80 % des Bedarfs an Vitamin D über die Haut decken können, ist die ausreichende Selbstversorgung in nördlichen Breitegraden nicht garantiert, da die Sonneneinstrahlung abhängig von den Jahreszeiten mitunter zu gering ist, der Aufenthalt im Freien in den Wintermonaten und besonders im Alter zu kurz ist, oder enge Straßen oder die Dunstglocken der Großstädte die Sonnenstrahlung gar nicht erst durchlassen. Das benötigte Vitamin D muss dann über die Nahrung aufgenommen werden.

Daher werden in Deutschland, anders als in südlichen Ländern, eine Vitamin-D-reiche Nahrung und eventuell zusätzliche Ergänzungen empfohlen.

Das macht der Arzt

Die Diagnostik bei Verdacht auf eine Osteomalazie beginnt immer mit einer Blutuntersuchung. Dabei zeigt sich, dass bei der Erkrankung die alkalische Phosphatase, ein am Knochenaufbau beteiligtes Enzym, erhöht und der VitaminD3- und Phosphat-Blutspiegel erniedrigt sind. In 50 % der Fälle ist auch das Kalzium im Blut erniedrigt. Im Röntgenbild zeigen sich frühzeitig typische Veränderungen. Um die Diagnose zu sichern, entnimmt der Arzt manchmal eine Probe aus dem Knochengewebe (Biopsie).

Die Osteomalazie wird durch Gabe von Vitamin D3 (z. B. Vigantol®, eventuell hochdosiert) bis zum Erreichen der normalen Blutwerte für Kalzium und alkalische Phosphatase behandelt. Während der Therapie muss auf eine kalziumreiche Ernährung und regelmäßige Spaziergänge im Sonnen- oder auch nur im Tageslicht geachtet werden.

Vorsorge

VitaminD-Mengen werden in Mikrogramm (µg) oder in Internationalen Einheiten (I.E.) angegeben: 1 µg D3 = 40 I.E. Für unsere Breitengrade empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung eine tägliche Zufuhr von 5 µg Vitamin D (entsprechend 200 I.E.) für alle Altersgruppen ab dem 1. Lebensjahr bzw. 10 µg für Säuglinge in den ersten 12 Monaten sowie ältere Menschen ab 65 Jahren. Ältere Menschen sollen deswegen mehr Vitamin D einnehmen, weil die körpereigene Bildung dieses Vitamins im Alter abnimmt. Aber auch Vegetarier und besonders Veganer, die mit der Nahrung 20–50 % weniger Vitamin D aufnehmen sowie dunkelhäutige Menschen, deren Hautfarbe bei hoher Sonneneinstrahlung ein natürlicher Schutz vor zu hoher Eigensynthese an Vitamin D ist, müssen entsprechend mehr Vitamin D über die Nahrung zuführen.

Osteoporose

Osteoporose (Knochenschwund): Systemische Knochenerkrankung, bei der die Knochenmasse abnimmt und sich die Knochenstruktur verändert, so dass die Knochen schon bei kleinen Unfällen, Belastungen oder auch ohne erkennbare Ursachen brechen können. Darüber hinaus treten schmerzhafte Minibrüche (Knochenrisse) auf, die zu schwer lokalisierbaren Schmerzen am gesamten Rumpf führen können. Die Osteoporose stellt als Volkskrankheit ein großes gesundheitspolitisches Problem dar, in Deutschland sind schätzungsweise 7 Millionen Menschen betroffen (rund 80 % davon sind Frauen).

Außer als eigenständige Erkrankung (primäre Osteoporose) kann sich eine Osteoporose auch als Folgeerkrankung (sekundäre Osteoporose) bei Schilddrüsenerkrankungen, einem Diabetes, einer rheumatischen Erkrankung oder der Langzeiteinnahme von Kortison entwickeln.

Leitbeschwerden

  • Knochenbrüche im höheren Lebensalter ohne passendes Trauma, v.a. von Wirbelkörpern, Oberschenkelhals und Elle
  • Schwer lokalisierbare Schmerzen im Bewegungsapparat (v. a. Rücken und Brustkorb)
  • Zunehmende Verkrümmung des Oberkörpers (Witwenbuckel)
  • Abnahme der Körpergröße um mehr als 3 cm. In ausgeprägten Fällen sitzen die unteren Rippen auf den Beckenkämmen auf.

Die Erkrankung

Mit dem 25. Lebensjahr ist die Wachstumsphase beendet und die maximale Knochenmasse erreicht. Knochen werden aber auch später ständig umgebaut und erneuert. Bis etwa zum 45. Lebensjahr besteht ein Gleichgewicht zwischen der Aktivität knochenaufbauender Zellen (Osteoblasten) und knochenabbauender Zellen (Osteoklasten). Mit zunehmendem Alter überwiegt jedoch der Knochenabbau. Von den Osteoklasten gebildete Hohlräume werden nicht mehr vollständig aufgefüllt und es kommt zu einem kontinuierlichen Verlust an Knochensubstanz – bei Frauen etwa 1–2 % im Jahr, bei Männern 0,5–1 %. Mit zunehmendem Lebensalter wächst daher die Wahrscheinlichkeit, eine senile Osteoporose zu entwickeln. Mit der steigenden Lebenserwartung gewinnt die Osteoporose zunehmend an sozioökonomischer Bedeutung. In Westeuropa haben etwa ein Viertel aller 70-Jährigen und etwa die Hälfte der über 80-Jährigen osteoporotisch bedingte Wirbelbrüche und jeder 3. bzw. fast jede 5. 90-Jährige erleidet einen Oberschenkelhalsbruch, der häufig lange Krankenhausaufenthalte und den Verlust der Selbstständigkeit nach sich zieht.

Zusätzlich zu den altersabhängigen Faktoren spielen die weiblichen Geschlechtshormone eine wichtige Rolle für Aufbau und Erhalt des Skeletts. Häufig entwickelt sich daher durch den Hormonmangel nach der Menopause eine postmenopausale Osteoporose. Allerdings erkranken 70 % der Frauen nicht, d. h. neben dem Hormonmangel spielen noch weitere Faktoren eine Rolle.

Zu den Risikofaktoren, die eine Osteoporose verstärken oder beschleunigen, zählen: Geringe körperliche Aktivität, langfristige Bettruhe, Kalzium- und Vitamin-D-Mangel, phosphat- und proteinreiche Ernährung, Koffein, Rauchen, Alkohol, Osteoporose in der Familie, niedriges Körpergewicht (unter 55 kg), bei Frauen zusätzlich eine frühe Menopause, das Ausbleiben der Monatsblutung für mehr als 6 Monate unabhängig von einer Schwangerschaft sowie die Entfernung der Eierstöcke.

Das macht der Arzt

Diagnosesicherung

Die Diagnose Osteoporose basiert zunächst auf dem klinischen Untersuchungsbefund und auf einer Befragung des Patienten nach Faktoren wie vorangegangenen Knochenbrüchen, familiärer Belastung, Ernährung, Bewegung und der Einnahme bestimmter Medikamente (z. B. Kortison). Laboruntersuchungen dienen dem Ausschluss sekundärer Formen (Kalzium- und Phosphatspiegel, AP; Kalzium und Phosphat im 24-Stunden-Sammelurin, Blutbild und Entzündungszeichen). Im Röntgenbild zeigen sich ab einem Verlust von mehr als 30 % der Knochendichte osteoporotische Veränderungen.

Der Übergang zwischen natürlichem Knochenabbau und Osteoporose ist fließend – zur Beurteilung misst der Arzt die Knochendichte (Knochendichtemessung, Osteodensitometrie). Die am häufigsten verwendete Methode hierfür ist die Doppel-Energie-Röntgenabsorptiometrie (DEXA, DXA), bei der an der Lendenwirbelsäule und an der Hüfte mit geringer Röntgenstrahlung gemessen wird. Das Ergebnis wird als T-Wert (T-Score) angegeben. Er ist ein Maß für die Abweichung der gemessenen Knochendichte vom Normalwert junger Männer bzw. Frauen, der durchschnittlichen maximalen Knochendichte (peak bone mass, PBM). Eine Abweichung ins Negative bedeutet eine geringere Knochendichte. Im Einzelnen wurde festgelegt:

  • T-Werte zwischen -1 und -2,4: leicht erhöhtes Knochenbruchrisiko (präklinische Osteoporose)
  • T-Werte unter -2,5 (entspricht einem Knochenverlust von ~30 %): stark erhöhtes Knochenbruchrisiko, besonders an den Wirbeln (Osteoporose).

Therapie

Osteoporose wird (oft bereits im präklinischen Stadium) medikamentös behandelt. Bei akuten und chronischen Rückenschmerzen werden bedarfsorientiert NSAR-Schmerzmittel ( z. B. Diclofenac) verordnet. Langfristiges Ziel der medikamentösen Therapie ist die Mineralisation der Knochen, ein verminderter Knochenabbau und ein vermehrter Knochenaufbau:

  • Bisphosphonate gelten heute als die wirksamste Behandlungsmöglichkeit bei bestehender Osteoporose, sie hemmen die Aktivität knochenabbauender Zellen. Sie werden täglich oder einmal wöchentlich nüchtern eine halbe Stunde vor dem Frühstück eingenommen, da sie so besser aufgenommen werden (z. B. Alendronat in Fosamax®). Eine verringerte Anzahl von Knochenbrüchen aufgrund der Osteoporose ist nachgewiesen für eine Einnahmedauer von 3–4 Jahren. Der Nutzen bei längerer Einnahme ist unklar. Werden Bisphosphonate lange Zeit hochdosiert eingenommen, drohen als Nebenwirkung paradoxerweise Knochenbrüche. Knochenveränderungen als Nebenwirkung der Bisphosphonate betreffen Oberschenkelbrüche sowie Rückbildung von Knochengewebe (Osteonekrose) der Kieferknochen und des äußeren Gehörgang. Die Osteonekrose ist in diesem Fall eine Folge mangelnder Blutversorgung und äußert sich durch freiliegenden Knochen im Mundraum oder am Ohr. Dagegen hilft eine Medikamentenpause. Durch eine konsequente Mundhygiene und regelmäßige zahnärztliche Untersuchungen verringern Patienten das Risiko für eine Rückbildung von Kieferknochengewebe. Vor Beginn der Behandlung sollte eine umfassende Zahnsanierung erfolgen. 
  • Der monoklonale Antikörper Denosumab (z. B. Prolia® und Xgeva®) hemmt die Umwandlung von Vorläuferzellen in knochenabbauende Zellen (Osteoklasten). Der Wirkstoff wird subkutan injiziert. Zu möglichen Nebenwirkungen zählen eine Hypokalziämie, Immunschwäche und Osteonekrose im Kiefer, möglicherweise auch im äußeren Gehörgang.
  • Kalzium: Bei den meisten Patienten ist eine Richtdosis von 1 000 mg täglich in Form einer Kalzium-Brausetablette (z. B. Calcium Sandoz fortissimum®) zu empfehlen.
  • Vitamin D3: Der Einbau des Kalziums in das Knochengewebe erfolgt mit Hilfe von Vitamin D, empfohlen werden 800–1 000 I.E. täglich, z. B. Vigantoletten®.
  • Kalzitonin ist als körpereigenes Hormon am Kalziumstoffwechsel beteiligt, hemmt die Aktivität knochenabbauender Zellen und lindert Knochenschmerzen. Als Medikament wird es deshalb vor allem bei akut schmerzhaften Wirbelbrüchen eingesetzt.
  • Bei der postmenopausalen Osteoporose vermag eine Hormonersatzbehandlung den Knochensubstanzverlust aufzuhalten und das Risiko von Brüchen zu mindern. Bei einer Langzeithormonersatzbehandlung gilt es aber, das Nutzen-Risiko-Verhältnis abzuschätzen – so steigt z. B. die Anfälligkeit für Brustkrebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine Alternative zur konventionellen Hormonersatztherapie bieten selektive Östrogenrezeptormodulatoren (SERMs, z. B. Raloxifen). Sie beeinflussen ähnlich wie die Östrogene den Knochenstoffwechsel, haben aber keinen Einfluss auf z. B. die Brust.

Für Frauen, die sich in der Postmenopause befinden und wegen eines hohen Frakturrisikos eine spezifische medikamentöse Behandlung brauchen, empfiehlt der Dachverband Osteologie (DVO) in seiner Leitlinie vier Biphosphonate als Mittel der ersten Wahl: Alendronat (z. B. Fosamax®), Risedronat (Actonel®), Ibandronat (Bonviva®) und Zoledronat (Aclasta®). Zudem wird in der DVO-Leitlinie der selektive Östrogenrezeptormodulator Raloxifen (Evista®, Optruma®) empfohlen. Ebenfalls Mittel der ersten Wahl sind der Arzneistoff Strontiumranelat (Protelos®), das Parathormonfragment Teriparatid (Forsteo®) und das zusammengesetzte Parathyroidhormon PTH 1-84 (Preotact®).

Die Wirkstoffe Alendronat, Risedronat, Zoledronat, Strontiumranelat und Teriparatid sind auch für die Osteoporosetherapie von Männern zugelassen.

Die Bewegungstherapie ist bei Osteoporose besonders wichtig: Intensive Bewegung und Sport regen den Knochenstoffwechsel an. Besonders wirkungsvoll sind ein dosiertes und gezieltes Krafttraining und kraftbetonte Gymnastik. Kostengünstig und effektiv ist die Teilnahme an einer Osteoporose-Gruppe unter Aufsicht eines geschulten Sporttherapeuten oder Physiotherapeuten. Um die Muskelfunktion zu verbessern und den Stoffwechsel anzuregen, ist eine wöchentliche Teilnahme (besser zweimal pro Woche) notwendig. Zusätzlich müssen die erlernten Übungen selbstständig zu Hause durchgeführt werden.

Vorsorge

Die bereits im jüngeren Erwachsenenalter beginnende Osteoporoseprophylaxe hat größte individuelle, aber auch gesamtgesellschaftliche Bedeutung. Echte Anstrengungen in Bezug auf die Vorbeugung sind deshalb angesagt. Dazu gehört der Aufbau maximaler Knochenmasse im jungen Erwachsenenalter und die Verlangsamung des physiologischen Knochenabbaus nach der Menopause und im Alter.

Bewegung. Es ist nie zu spät, mit Sport anzufangen! Nur durch intensive mechanische Belastung wird der Knochenaufbau angeregt. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass viel Bewegung in jugendlichen Jahren dazu beiträgt, eine höhere maximale Knochenmasse zu erreichen. Aber auch im fortgeschrittenen Alter sorgt sportliche Betätigung nicht nur für eine verbesserte Kondition, sondern senkt das Sturzrisiko und vermindert bei gleichzeitiger ausreichender Kalzium- und Vitamin-D-Versorgung den Knochensubstanzverlust.

Ernährung. Achten Sie auf eine kalziumreiche Ernährung (~ 1 500 mg täglich) mit viel Joghurt, Milch, Käse, Gemüse, Nüssen und Mineralwasser. Meiden Sie Alkohol, Coca-Cola, Wurst, Schweinefleisch, Spinat und Rhabarber. Am Knochenstoffwechsel sind neben Vitamin D und Kalzium auch Vitamin C und E, Zink, Silizium, Mangan und andere Nährstoffe beteiligt.Auch Trockenpflaumen wirken Osteoporose entgegen, wie eine aktuelle Studie zeigt. Untersucht wurden 240 Frauen, die ihre Wechseljahre hinter sich hatten und unter fortgeschrittener Osteoporose litten. Die eine Hälfte der Teilnehmerinnen aß täglich 100 g Trockenpflaumen, die andere Hälfte die gleiche Menge getrockneter Äpfel. Zusätzlich bekamen alle Frauen Kalzium und Vitamin D. Nach einem Jahr hatte die Knochendichte der Frauen aus der Pflaumen-Gruppe deutlich zugenommen.

Osteoporosegefahr durch Medikamente. Besteht eine chronisch-entzündliche Erkrankung oder eine längerfristige Medikamenteneinnahme von z. B. Kortison oder Heparin, werden vorbeugend begleitend Vitamin D, Kalzium und Bisphosphonate verordnet.

Früherkennung. Ultraschalluntersuchungen des Fersenbeins und der Fingerknochen sowie die Knochendichtebestimmung an Handgelenk und Fingern werden zunehmend zur Früherkennung angewendet. Studien belegen, dass es sich für Frauen in den Wechseljahren lohnt, die Knochendichte bereits messen zu lassen, wenn sie noch keinen Knochenbruch erlitten haben. So können Ärzte eine Osteoporose frühzeitiger erkennen und Knochenbrüchen gezielter vorbeugen, z.B. mit Medikamenten.

Laboruntersuchungen sollen eine Osteoporose schon viel früher nachweisen können. Gerade mit der Messung von Desoxypyridinolin und Pyridinolin im Urin oder von Typ-I-Kollagen-Telopeptiden im Blut lässt sich ein gesteigerter Knochenabbau frühzeitig erkennen. Die  Knochendichte­messung hingegen deutet erst dann auf eine Erkrankung hin, wenn bereits viel Knochenmasse verloren gegangen ist. Kritiker der Osteoporose-Labordiagnostik halten aber entgegen, dass sich die Werte von Gesunden und Kranken weit überlappen, also oft keine eindeutige Aussage möglich ist. Dies gilt besonders für die TRAP-Bestimmung. Sie ist nicht nur wenig sensitiv, sondern auch störungsanfällig.

Stürze vermeiden. Falls Sie bereits Osteoporose haben, machen Sie ihre Umgebung sturzsicher. Achten Sie in der Wohnung auf 100 % rutschfeste Böden und eine ausreichende Beleuchtung, beseitigen Sie herumliegende lose Kabel und Stolperkanten. Um bei einer ausgeprägten Osteoporose Oberschenkelhalsbrüchen vorzubeugen, gibt es Spezialhosen mit Hüftprotektoren.

Komplementärmedizin

Magnettherapie. Pulsierende Magnetfelder (Erklärung bei Rheumatoider Arthritis) regen nachweislich den Knochenstoffwechsel an und stimulieren das Knochenwachstum, daher wird das Verfahren bei der Osteoporose positiv bewertet.

Homöopathie. In der Homöopathie häufig eingesetzte Mittel (Homöopathika) sind z. B. Calcium carbonicum, Phosphorus, Pulsatilla, Sepia und Sulfur. Außerdem stehen verschiedene Komplexmittel (z. B. Calcium-Gastreu® NR 34) zur Verfügung. Wissenschaftliche Wirknachweise der homöopathischen Arzneimittel gibt es aber (derzeit) nicht.

Orthomolekularmedizin. Ob, abgesehen von Vitamin D3 ( rechts), hochdosierte Mineralstoffe, andere Vitamine und/oder Spurenelemente das Osteoporoserisiko verringern bzw. eine bereits bestehende Osteoporose günstig beeinflussen, ist umstritten. Derzeit lautet die allgemeine Empfehlung der Orthomolekularmedizin, nur dann eine Substitution durchzuführen, wenn ein Nährstoffmangel nachgewiesen wurde.

Weiterführende Informationen

  • www.dgk.de – Suchbegriff Osteoporose – Unabhängige und fundierte Informationen vom Deutschen Grünen Kreuz e. V., Marburg.
  • www.osteoporose-deutschland.de – Bundesverband für Osteoporose e. V., Düsseldorf: Dachverband der Selbsthilfegruppen.

VEXAS-Syndrom

VEXAS-Syndrom: Seltene, autoinflammatorische Erkrankung mit Entzündungen in verschiedenen Organen und Geweben und sehr variablem Krankheitsbild. Ursache ist eine Mutation auf dem X-Chromosom, weshalb fast nur Männer erkranken. Häufigste Beschwerden sind Fieber, Knorpelentzündungen an Ohr und Nase, Atemnot und Gelenkschmerzen. Oft liegen auch schwere Blutbildveränderungen vor. Behandelt wird mit hochdosiertem Kortison. Die Prognose ist schlecht, 50 % der Betroffenen versterben innerhalb von fünf Jahren nach Diagnose.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Fieber, Nachtschweiß, Schwäche, starkes Krankheitsgefühl
  • Schmerzen und Rötung an den knorpeligen Anteilen von Ohr und/oder Nase
  • Atemnot, die sich bei Belastung verstärkt
  • Muskel- und Gelenkschmerzen
  • Gerötete Augen, Lichtempfindlichkeit, Tränenträufeln.

Wann in die Arztpraxis

In den nächsten Tagen, bei

  • sich verstärkender Atemnot ohne erkennbare Ursache
  • schmerzhaften Veränderungen an Nasen- oder Ohrknorpel.

Die Erkrankung

Das VEXAS-Syndrom ist eine im Jahr 2020 erstmals beschriebene autoinflammatorische Erkrankung. Autoinflammatorisch heißt, dass es durch eine fehlerhafte Aktivierung des angeborenen Immunsystems zu Entzündungsschüben im gesamten Körper kommt.

Der Name VEXAS ist ein Akronym und setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der für die Krankheit charakteristischen Merkmale zusammen:

  • V = Vakuolen (kleine Hohlräume in den blutbildenden Zellen des Knochenmarks)
  • E = E1-Enzym (das von der Störung betroffene Enzym)
  • X = X-chromosomal (Ort der genetischen Mutation)
  • A = autoinflammatorisch (ohne Anlass ausgelöste Entzündung)
  • S = somatisch (Genmutation in Körperzellen).

Hinweis: Im Gegensatz zu einer Autoinflammation entwickeln sich die Entzündungsreaktionen bei der Autoimmunreaktion, weil spezielle Immunzellen körpereigene Zellen oder Gewebe fälschlicherweise für fremd halten.

Vorkommen und Häufigkeit

Das VEXAS-Syndrom kommt fast nur bei Männern vor. Das liegt daran, dass die Erkrankung auf einer Mutation im X-Chromosom beruht und Frauen in der Regel ein zweites X-Chromosom mit gesundem Gen besitzen.

Über die Häufigkeit der Erkrankung gibt es noch keine konkreten Angaben. Bisher wurden erst wenige Fälle beschrieben. Expert*innen gehen aber davon aus, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt. Geschätzt wird, dass etwa eine von 13.600 Personen eine entsprechende Variante im X-Chromosom aufweist.

Ursachen

Ursache des VEXAS-Syndroms ist eine somatische Mutation auf dem X-Chromosom. Somatische Mutationen entstehen in Körperzellen, aber nicht in Keimzellen. Das bedeutet, dass Betroffene die Krankheit nicht an ihre Nachkommen vererben.

Die Mutation betrifft beim VEXAS-Syndrom das UBA1-Gen. Dieses Gen kodiert ein Enzym, das die Ubiquitinierung in der Zelle anstößt (Ubiquitin-aktivierendes Enzym E1). Die Ubiquitinierung dient verschiedenen wichtigen Funktionen, z. B. dem Abbau von Proteinen oder der Reparatur von defekter DNA. Eine Mutation im verantwortlichen Gen führt dazu, dass diese Prozesse gestört werden. In der Folge kommt es zu Fieber und überschießenden Entzündungen.

Klinik und Verlauf

Das klinische Erscheinungsbild des VEXAS-Syndroms ist äußerst variabel. Typischerweise entwickeln sich die Beschwerden erst im späteren Erwachsenenalter. Oft beginnt die Erkrankung mit Fieberepisoden, deren Ursache unklar bleibt. Zwei Drittel der Betroffenen leiden im Verlauf unter schmerzhaften Knorpelentzündungen, die sich vor allem am Ohr und an der Nase bemerkbar machen. Jeder zweite Patient hat aufgrund von Entzündungen in den Lungenbläschen (Alveolitis) Luftnot oder andere Atembeschwerden. Weitere Symptome sind:

  • Gelenkentzündungen mit Schmerzen und Schwellungen an verschiedenen Gelenken (Polyarthralgie)
  • Muskelschmerzen
  • Augenbeteiligung mit Entzündung der Gefäßhaut (Uveitis) und der Sklera (Episkleritis)
  • Thrombosen, vor allem in den Beinvenen
  • Hautentzündungen mit schmerzhaften Papeln und Knötchen.

In vielen Fällen ist beim VEXAS-Syndrom das Blutsystem beteiligt. Sowohl die roten Blutkörperchen als auch die Blutplättchen sinken, es drohen eine schwere Anämie und Thrombozytopenie. Es gibt allerdings auch Fälle ohne Beteiligung des Knochenmarks. Diese werden häufig lange als rheumatologische Erkrankungen fehldiagnostiziert.

Komplikationen

Die entzündlichen Prozesse im gesamten Körper können zu schweren Folgeproblemen führen. Dazu gehören Gerinnungsstörungen, die sowohl Thrombosen als auch Blutungen auslösen. In einzelnen Fällen kam es auch zu einem gefährlichen Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS).

Diagnosesicherung

Fieberschübe und Knorpelentzündungen bei älteren Männern lenken den Verdacht auf ein VEXAS-Syndrom. Meist veranlasst die Ärzt*in dann Blutuntersuchungen und eine Knochenmarkbiopsie. Folgende Ergebnisse weisen auf die Erkrankung hin:

  • Blutuntersuchung: Anämie, Thrombozytopenie, erhöhte Entzündungsmarker (CRP, BSG)
  • Knochenmarkbiopsie: Knochenmark mit vermehrten Zellen, wobei in den Vorläuferzellen typische Vakuolen nachweisbar sind.

Gesichert wird die Diagnose allerdings nur durch den Nachweis einer Mutation im UBA1-Gen. Für die dafür erforderliche DNA-Sequenzierung verwendet man meist weiße Blutkörperchen aus dem Blut oder dem Knochenmark.

Differenzialdiagnosen. Eine ganze Reihe rheumatischer Erkrankungen lösen ähnliche Beschwerden aus. Dazu gehören der Morbus Still, der systemische Lupus erythematodes und Vaskulitiden. Stehen die Blutbildveränderungen im Vordergrund, müssen hämatologische Erkrankungen wie ein myelodysplastisches Syndrom oder eine akute bzw. chronische myeloische Leukämie ausgeschlossen werden.

Behandlung

Eine spezifische Therapie gibt es bisher nicht. Die besten Behandlungserfolge erzielt man bisher mit hochdosiertem Kortison. Oft werden auch andere immununterdrückende Medikamente eingesetzt, z. B. Methotrexat oder Azathioprin. Große Hoffnungen setzte man auf die autologe Stammzelltherapie. Sie konnte die Erkrankung bisher jedoch nur wenige Monate lang unterdrücken.

Zusätzlich benötigen die Patient*innen eine schmerzlindernde Therapie. Komplikationen wie Ateminsuffizienz, schwere Anämie und Gerinnungsstörungen erfordern häufig eine intensivmedizinische Behandlung.

Prognose

Die Prognose ist schlecht, jede*r zweite Patient*in stirbt innerhalb von fünf Jahren an der Erkrankung.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Pünktliche Tabletteneinnahme. Kortisontabletten sollten morgens eingenommen werden, das passt am besten zum körpereigenen zirkadianen Kortisonrhythmus. Denn die innere Kortisonausschüttung beginnt nachts gegen zwei oder drei Uhr und steigt bis zu ihrem Gipfel um ca. 8:30 Uhr morgens an. Danach fallen die Kortisonwerte im Blut wieder kontinuierlich ab und erreichen gegen Mitternacht ihren tiefsten Punkt.

Nicht abrupt absetzen. Unter einer Therapie mit Kortison schränkt der Körper seine eigene Kortisonproduktion stark ein. Wer von heute auf morgen seine Kortisontabletten absetzt, riskiert Entzugserscheinungen. Diese reichen von Übelkeit, Gelenkschmerzen, Schwäche und Müdigkeit bis zu Blutdruckabfall und Verwirrung. Um dies zu vermeiden, darf das Kortison nur vorsichtig und unter ärztlicher Aufsicht ausgeschlichen werden.

Nicht abwarten bei Beschwerden. Erneute Beschwerden dürfen nicht ausgesessen werden. Um die anti-entzündliche Therapie wieder anzupassen, ist möglichst rasch die behandelnde Ärzt*in aufzusuchen.

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